Die letzten Jahre schaute ich mir über Youtube gerne die Videos der Gutshausretter an. Ich fand es inspirierend, wie diese Menschen aus den alten verfallenen Häusern die Seele wieder heraus kitzelten. Egal, wie verfallen ein Haus auch zu sein schien, die Ergebnisse, die oft nach jahrelanger Arbeit heraus kamen, waren erstaunlich.
Für mich waren diese Häuser gelebte Geschichte. Nach der Renovierung der postsozialistischen Villen und Gutshäuser oder Schlösser, konnte man gelebtes Leben wieder spüren.
Was mich zudem faszinierte, der reichhaltige leere Raum in den eingerichteten Zimmern.
Räume in denen Gedanken schweifen können. Räume, die keine Reizüberflutung bieten.
Das erinnert mich an eine weiteres Phänomen, das gerade in der Coronazeit auftauchte. Während der Lockdowns wurden immer mehr Fotos gepostet, leerer Straßen, leerer Räume. Räume die außerhalb unserer täglichen Geschäftigkeit liegen. Gerade junge Menschen schienen eine große Sehnsucht danach zu haben.
Plötzlich fühlte sich Realität ganz anders an.
Für diese Räume wurde ein Begriff geschaffen „Liminal Spaces“. Orte, die gewöhnlich voller Menschen sind und die man plötzlich still und verlassen erlebt. Orte, in denen Lichtverhältnisse herrschen, die an einen surrealen Film erinnern. Interessant dabei ist, dass liminal Spaces menschengemacht aber menschenleer sind.
Doch eigentlich kommt der Begriff Liminalität von dem Ehtnologen Arnold von Gennep. Er beschreibt damit in seinem Werk „Les Rites des Passages“ einen Übergangszustand. Eine weder Fisch noch Fleisch Situation, in den Menschen oder Gesellschaften im Zuge eines Übergangsritus eintreten, wenn sie sich aus der bestehenden gesellschaftlichen Ordnung gelöst haben, aber noch nicht in der neuen Ordnung angekommen sind.
Das erinnert mich auch an die Geschichte von den Trapezen, die ich vor einiger Zeit gepostet hatte..
Auch der Schotte Victor Turner baute dieses Konzept in den 1960er Jahren in seine Theorie sozialer Veränderungsprozesse aus. Auch er beschreibt als liminal Space einen symbolischen Ort außerhalb der etablierten Welt: „Die Liminalität ist das große Außerhalb von allen Hierarchien des sozialen Lebens, jenseits vertrauter Raum- und Zeitbegriffe“.
Demnach ist ein liminaler Raum ein Übergangs- und Schwellenraum. Ein Ort, der einen Übergang zwischen Seinszuständen stattfindet. Orte, an denen der Mensch mit seiner herkömmlichen Zeit bricht.
Für mich beschreibt das mein Gefühl während der Coronazeit sehr gut. Es gab einen symbolischen Raum DAVOR (2019) und ein DANACH, das gesellschaftlich zwar immer noch etwas auf sich warten lässt, für mich jedoch noch einmal ein großer Entwicklungsschritt war. Zumal ich mir vor 2019 schon ein Sabbatical wünschte, da ich merkte, dass neues in mir entstehen möchte.